Medizin Blog

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Hier poste ich aktuelle Nachrichten aus meiner Praxis und allgemein medizinische Themen die ich interessant finde.

Neuer Artikel: Schlafstörungen

Warum schlafen wir überhaupt und wie können wir unseren Schlaf verbessern?

Was ist ein „normaler“ Schlaf und ab wann wird von einer wirklichen Schlaf-Störung gesprochen?

Warum schlafen wir überhaupt und wie können wir unseren Schlaf verbessern?

Im folgenden Artikel werde ich die wichtigsten Fakts zum Thema Schlaf aus medizinischer Sicht beleuchten und hilfreiche Tipps zum Einschlafen geben. Außerdem gibt es einen kleinen Exkurs in die Schlafwelt der TCM.

Gerade jetzt im Sommer schlafen viele Menschen nicht so tief und erholt wie im Winter. Das kenne ich auch von mir selbst. In den kalten und dunklen Monaten komme ich mir manchmal wie ein Siebenschläfer vor, der bis zu 11 Stunden am Stück schlafen kann. Im Sommer gelingt mir das eher selten. 

Warum schlafen wir überhaupt?

Ganz grob gesprochen, schlafen wir ca. ein Drittel unserer kompletten Lebenszeit – das sind so im Schnitt ca. 25-30 Jahre! Schlaf ist super wichtig: nachts erholt und regeneriert sich unser Gehirn, speichert und sortiert die am Tag gemachten (Lern)Erfahrungen. Man kann sich so etwas wie eine Reinigungs- und Reparaturfirma vorstellen, die nachts in unserem Gehirn „Ordnung schafft“. 

Geistige Aktivität führt zu einem hohen Energiestoffwechsel in den Nervenzellen im Gehirn, Adenosin als Abfallprodukt entsteht. Dieses Adenosin bindet an Rezeptoren und „blockiert“ die Leistungsfähigkeit. Dadurch werden wir müde und unsere geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab. (Koffein verdrängt Adenosin von den Rezeptoren macht uns also wieder wach; Rotwein hat adenosinartige Wirkung, macht also müde). Je mehr Adenosin den Tag über entsteht, desto größer ist unsere Müdigkeit am Abend. (Reichert et al., 2022)

Wieviel Schlaf brauchen wir?

Erwachsene benötigen eine Schlafzeit von 6,5 – 8 Stunden, manchen brauchen 9 Stunden oder mehr, um morgens erholt zu sein. 

Kinder brauchen mehr Schlaf (Babys schlafen bis zu 20 Stunden, Grundschulkinder 9-10 Stunden und ältere Menschen kommen auch mit weniger Schlaf zurecht). 

Was passiert mit uns, wen wir zuwenig schlafen?

Ein paar Tage hintereinander zu wenig Schlaf erhöht Frustationsgefühle, verringert die Konzentrationsfähigkeit, Informationen können deutlich schlechter im Gedächtnis verankert werden und unsere Willenskraft lässt nach. (das kann sich z.B. in Frustkäufen und/ oder vermehrtem Schokoladenkonsum bemerkbar machen).

4 Nächte hintereinander weniger als 5 Stunden Schlaf entspricht einem globalem geistigen Leistungsverlust wie einem Alkoholkonsum von mehr als 0,6 Promille!

Folgen von Schlafmangel können gefährlich werden: es besteht ein erhöhtes Risiko für Fehler und Unfälle.

Auch unser Immunsystem leidet unter Schlafmangel:

laut einer Studie von 2009 erhöht Schlafmangel das Erkältungsrisiko. WissenschaftlerInnen hatten 153 ProbandInnen Nasentropfen mit Erkältungsviren gegeben. In der Gruppe der Menschen, die weniger als sieben Stunden schliefen, waren daraufhin dreimal mehr erkältet als in der Gruppe mit mindestens acht Stunden Schlaf. (Cohen et al., 2009) (1) 

Und ab wann wird von einer Schlafstörung gesprochen?

Wenn Probleme beim Einschlafen und oder Durchschlafen auftreten und man morgens nicht ausgeruht aufwacht, sprechen wir MedizinerInnen von einer Schlafstörung. Eine oder zwei schlecht geschlafene Nächte ist noch keine Diagnose. Die Schlafschwierigkeiten (beim Ein- oder Durchschlafen) müssen an mindestens 3 Nächten pro Woche auftreten und über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen anhalten. Dann sprechen wir von einer sogenannten Insomnie.

Insomnie = Ein- oder Durchschlafstörung mit Tagesbeeinträchtigung > 3 Tage/Woche über mindestens 4 Wochen.

Es gibt 4 Möglichkeiten schlecht zu schlafen:

-Schlecht einschlafen

-Sehr Unruhig schlafen, häufiges Erwachen und morgens nicht erholt sein

-Aufwachen und nicht wieder einschlafen können

-Morgens zu früh aufwachen und nicht wieder einschlafen können

Wenn du über einen längeren Zeitraum schlecht schläfst, solltest du unbedingt mit deiner Hausärztin sprechen, dich untersuchen und ggf. an eine/n FachÄrztIn bzw. ins Schlaflabor überweisen lassen. 

Die Gründe für schlechten Schlaf können vielfältig sein und von akutem Stress über hormonelle Veränderungen (v.a. während dem Klimakterium), bis hin zu handfesten psychischen Diagnosen wie einer Depression reichen:

Stress ist der größte Feind vom Schlaf. Was passiert, wenn wir Stress haben? Die Atmung geht schneller, Blutdruck und Herzfrequenz steigen, die Muskulatur wird besser durchblutet. Alles Dinge, die wir beim Schlafen nicht gebrauchen können. Wenn sich unser System den ganzen Tag in Alarmbereitschaft befinden, dauert es abends länger, um wieder herunter fahren zu können. Daher ist es wichtig, den Stress auf den Tag und nicht auf den Abend zu legen. Stress in gewisser Dosis ist wichtig, da er uns antreibt und aktiviert, aber gegen Abend sollte die Entspannung überwiegen. 

Schlafapnoe: Schnarchen und Atemaussetzer in der Nacht gehen mit einer extremen Tagesmüdigkeit einher. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Falls bei euch Atemaussetzer in der Nacht beobachtet wurden, ihr sehr laut schnarcht oder unter starker Tagesmüdigkeit mit Einschlaftendenz leidet, lasst das unbedingt abklären, am besten im Schlaflabor. Schlafapnoe kann ein Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen sein: wie Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Schlaganfälle.

Depression: zeigt häufig auch somatische, d.h. körperliche Symptome wie Appetitlosigkeit, Schmerzen und eben auch Ein und Durchschlafstörungen mit viel Grübeln.

Was können wir tun, um unseren Schlaf zu verbessern?

Hier ein paar wichtige Einschlaftipps. Die klingen vielleicht eher banal, sind aber sehr hilfreich: 

  1. erst ins Bett gehen, wenn man müde ist.

(Früher ins Bett gehen, um mehr schlafen zu können, bringt meistens nichts.)

  • warme Füße (empfehlenswert sind Socken, Wärmflasche, Fußbad)
  • tagsüber: Tageslicht und Bewegung

Das „ideale“ Schlafzimmer sollte sein:

  • Kühle Temperatur (16-18°C) wobei das sehr individuell zu sehen ist: ich habe festgestellt, dass ich unter 18 Grad eher schlecht schlafe und auch bei 25 °C im Sommer ziemlich gut schlafen kann. 😉
  • Dunkel
  • Möglichst ruhig
  • Schlafgelegenheit sollte bequem sein (damit man auch gerne ins Bett geht und sich wohl fühlt) wir schlafen wie schon gesagt ungefähr ein Drittel unseres Lebens…

Außerdem empfehlenswert: 

  • Möglichst kein Alkohol. (Alkohol am Abend führt dazu, dass wir schlecht schlafen.)
  • Schlafritual (Einschlafen beginnt schon ca. 1 Stunde vor dem ins Bett gehen. D.h. man sollte sich möglichst keine „schlechten Reize“ reinziehen wie noch schnell ein paar emails beantworten oder stressige Gedanken entstehen lassen. Verhaltensrituale signalisieren dem Gehirn/Körper, dass jetzt Zeit zum Schlafen ist.)
  • Stattdessen etwas Angenehmes machen wie: Musik hören, lesen, Tee trinken o.ä. in Ruhe Zähneputzen mit Aufmerksamkeit
  • Möglichst auch tagsüber immer wieder entspannen (Zeitinseln, Achtsamkeitsübungen), um gar nicht erst hohe Stresshormonspiegel entstehen zu lassen.
  • Vertrauen im Bett schaffen (bei fremden Hotelbett, häufig weniger tiefer Schlaf in der ersten Nacht. Hier kann es hilfreich sein, etwas Vertrautes bei sich zu haben, z.B. das eigene Kissen.)

Bei nicht einschlafen können ist hilfreich: 

  • Gedanken aufschreiben (Tagebuch) bzw. auch To-do Listen für den nächsten Tag. Das räumt die Gedanken auf.
  • Die Gedanken beobachten (in Auto packen, Luftballon, beim Wegfahren/fliegen beobachten)
  • Ausatemzüge zählen (nicht Schäfchen zählen, das macht eher wieder wach.)

Falls du mehr zu den Einschlafübungen erfahren möchtest, hör dir gern meine Podcastfolge zum Thema Schlafstörungen an. Die wird wahrscheinlich im Herbst 2024 veröffentlicht. Hier gehe ich besonders auf die Tipps zum Schlafen ein. 

Die schulmedizinische Therapie der 1. Wahl ist die kognitive Verhaltenstherapie. Ihre Wirkung wurde in vielen Studien bestätigt und zeigt die nachhaltigste Wirkung was Schlafstörungen angeht. (Weinhold & Göder, 2022)

Hier werden Lernmechanismen, die man sich angeeignet hat und dysfunktional sind, (Kognitionen, Gedanken, Erwartungen, Verhaltensweisen), über mehrere Sitzungen hinweg analysiert und entsprechend „umgelernt“. 

Es gibt auch hilfreiche Apps, die du dir von deiner Hausärztin rezeptieren lassen kannst. Es hat sich in Studien gezeigt, dass diese bei bis zu 60 % der Probanden innerhalb von 8 Wochen zu einer Verbesserung des Schlafes beitragen können. (Gehrke-Beck, 2024)

Schlaf aus Sicht der TCM

Aus TCM Sicht kann man ganz grob sagen: Schlafstörungen sind auf eine mangelnde Verbindung von Yin und Yang zurückzuführen. In den meisten Fällen führt ein Mangel an Yin zu einem Yangüberschuss. In der Therapie geht es hauptsächlich darum, Yin zu stützen (mit Akupunktur und individuell angefertigten Kräutertees). 

Und besonders hervorzuheben sind folgende Empfehlungen: abends möglichst keine zu späten Mahlzeiten, keine scharfen Gewürze, kein Alkohol. Und natürlich alles was zu einer Entspannung des vegetativen Nervensystems führt (wie QiGong, Meditation, Yin Yoga). Auch wärmende Fußbäder vor dem Einschlafen empfiehlt die TCM

Abschließend kann ich sagen: Ich schlafe wahnsinnig gerne. Da ich eine Zeit lang selbst mit Schlafproblemen zu tun hatte, weiß ich persönlich, was das bedeutet. 

In diesem Sinne: Guten Schlaf 🙂

 

Quellen:

(1) https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/erkaeltung-schlaf-ist-oft-die-beste-medizin-und-foerdert-das-immunsystem-a-1253069.html#

Cohen, S., Doyle, W. J., Alper, C. M., Janicki-Deverts, D., & Turner, R. B. (2009). Sleep Habits and Susceptibility to the Common Cold. Archives of Internal Medicine, 169(1), 62-67. https://doi.org/10.1001/archinternmed.2008.505

Gehrke-Beck, S. (2024). Digitale kognitive Verhaltenstherapie bei Schlaflosigkeit eignet sich für die Regelversorgung (?). Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 100(3), 125-126. https://doi.org/10.1007/s44266-024-00187-8

Reichert, C. F., Deboer, T., & Landolt, H. P. (2022). Adenosine, caffeine, and sleep-wake regulation: state of the science and perspectives. J Sleep Res, 31(4), e13597. https://doi.org/10.1111/jsr.13597

Weinhold, S. L., & Göder, R. (2022). Kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie. Somnologie, 26(1), 55-64. https://doi.org/10.1007/s11818-022-00341-z

 

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